Als wichtiger Arm der Exekutive steht in Österreich – wie in den meisten Ländern – die Polizei als Staatsdiener zu unserem Schutz und unserer Hilfe zur Seite.
Doch: Eine uniformierte Mannschaft aus fehlerfreien Robotern wurde noch nicht entwickelt und ist wohl auch nicht wünschenswert. Wo aber Menschen arbeiten, passieren auch immer wieder Fehler - so auch bei Polizeieinsätzen, wie man zuletzt auch in der internationalen Berichterstattung leider erfahren musste.
Kann hier das Filmen von Amtshandlungen in der Praxis Abhilfe schaffen, um einen fairen Prozess zu garantieren? Ist das in Österreich zulässig?
Fälle aus der Praxis
Auch wir sind in unserer Praxis leider immer wieder mit Übergriffen und Eskalationen bei Amtshandlungen durch die Polizei konfrontiert. So berichteten uns Mandanten in den letzten Jahren von spontanen Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl, teilweise auch mit gezogenen Waffen. Ein Mandant erzählte, dass er im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Sicherstellung etwa seinen Reisepass nicht ausfolgen wollte, woraufhin ihm nach seinen Angaben vom Polizisten eine Waffe an die Schläfe gehalten wurde. Er sah sich gezwungen, der Aufforderung nachzukommen.
Manchmal kommt es auch zu Situationen, in welchen zwar schnell gehandelt werden muss, und die Polizei die unpassende Entscheidung trifft. So zwang nach Angaben einer anderen Mandantin kürzlich die einschreitende Polizei ein achtjähriges Kind mit österreichischer Staatsbürgerschaft dazu, der eigenen Mutter zu dolmetschen, dass die Abschiebung ihrer Mutter unmittelbar bevorsteht. Das achtjährige Kind war daraufhin so verängstigt, dass es nicht mehr in die Schule gehen wollte.
Im Rahmen von Wortgefechten kann auch die Polizei in der Hitze des Gefechts die eskalierende Rolle einnehmen. Zuletzt mussten wir für einen Mandanten eine Richtlinienbeschwerde einbringen, da dieser von der Polizei mehrfach sehr salopp aufgefordert wurde „den Schlapfen zu halten“.
Schließlich kommt es auch leider vereinzelt zu körperlichen Übergriffen. Hier haben wir zuletzt in zwei Fällen einen österreichischen und einen rumänischen Staatsbürger vertreten, welche im Rahmen einer Festnahme nach Schilderung unserer Mandanten misshandelt wurden.
Problem: Wort des "Normalbürgers" hat kaum Gewicht!
Im Gerichtsverfahren stellt sich allerdings immer ein Problem: Das Wort des „Normalbürgers“ zählt gegen das Wort eines Polizisten kaum etwas. Die meisten Richter beschränken sich auf die lapidare Beweiswürdigung, dass ein Polizist über amtliche Wahrnehmungen nicht die Unwahrheit sagen würde, da dies für ihn schwere berufsrechtliche Konsequenzen haben würde. Daher ist es in praktischer Sicht fast unmöglich, durch seine eigene Aussage alleine vor solchen polizeilichen Übergriffen geschützt zu sein.
Nicht unbeachtlich ist auch, dass die Polizei grundsätzlich mit mehreren Beamten eine Amtshandlung durchführt. Diese Polizisten stehen im Gericht dann als Zeugen zur Verfügung, wobei es hier bekanntlich zur Koordinierung der Aussagen kommt. Zuletzt gestand eine Polizistin etwa befragt zu einer Amtshandlung zu, dass die fünf anwesenden Polizisten sich unmittelbar nach der Amtshandlung zur gemeinsamen Anfertigung eines Aktenvermerks und ihrer Aussagen getroffen hatten. Gegen fünf gleichlautende Aussagen von Polizisten ist es denkbar schwer zu gewinnen.
Filmen der Amtshandlung als Ausgleich
Hier ist kommt das Filmen von Amtshandlungen als großer Ausgleich ins Spiel. Zuletzt konnten wir etwa in einem Verfahren vor dem Wiener Verwaltungsgericht aufgrund eines Videos die Unrechtmäßigkeit einer Festnahme beweisen. Der diensthabende Polizist hatte nämlich bei der Festnahme einen anderen Festnahmegrund genannt, als er später im Aktenvermerk angab – weil er erst später realisierte, dass der zuerst angenommene Festnahmegrund gar nicht vorlag. Ohne das Vorliegen des Videos wäre die Prozessführung natürlich chancenlos gewesen.
Die Aufnahme einer Amtshandlung ist daher grundsätzlich in vielen Situationen sinnvoll. Insbesondere wenn es wirklich heikel wird, erweist sich die Anfertigung einer Aufnahme als zielführend. So ist es bei der Durchführung einer Hausdurchsuchung und der Vornahme einer Festnahme immer sehr hilfreich, die genaue Vorgehensweise der Handelnden dokumentiert zu haben. In beiden Fällen ist es nämlich in der Praxis oft der Fall, dass die Polizei nachher gänzlich leugnet, dass es zu einer Festnahme oder Hausdurchsuchung kam. Denn: Wenn man „freiwillig“ mit auf die Polizeistation geht oder die Polizei „freiwillig“ in die Wohnung lässt, dann steht man ohne rechtlichen Schutz da, selbst wenn man gegen die Festnahme bzw die Hausdurchsuchung protestiert hatte. Das Vorliegen einer Filmdokumentation ist in diesen Fällen daher überhaupt die erste Grundvoraussetzung, um einen Rechtsschutz zu erfahren.
Wie ist das aber nun: Darf ich auch die Polizei bei Amtshandlungen filmen?
OGH: Filmen erlaubt!
Der Oberste Gerichtshof (6 Ob 6/19d) hat die Frage der Zulässigkeit folgendermaßen beantwortet:
Die Polizei muss bei einem Einsatz mit Zwangsgewalt akzeptieren, dass sie gefilmt wird. Der Oberste Gerichtshof hat dies unter anderem ausdrücklich damit begründet, dass dies auch den Sinn hat „einen gewisser präventiven Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe“ zu erreichen. Mit anderen Worten: Das Mitfilmen der Amtshandlung kann allein schon aus dem Grund sinnvoll sein, da dies deeskalierend wirken kann und sich alle Beteiligten eher zivilisiert benehmen.
Darf ich immer filmen oder muss erst etwas "passieren"?
Ja, es darf bei einer Amtshandlung immer gefilmt werden - auch wenn noch nichts "passiert" ist.
Es ist nicht notwendig, dass ein Polizist „übergriffig geworden wäre oder Sachen beschädigt“ (6 Ob 6/19d). Der Grund dafür ist, dass eine Aufnahme, die erst nach einem erfolgten Übergriff oder einer Beschädigung beginnt, den Dokumentationszweck nicht erfüllen kann.
Leider ist es ja oft so, dass die Beteiligten erst zu filmen beginnen, wenn der Übergriff bereits passiert ist. Dies kann auch wertvoll sein, weil es die unmittelbaren Reaktionen der Beteiligten festhält und daraus Rückschlüsse gezogen werden können. Besser ist es natürlich, wenn mach schon früher zu filmen anfängt.
Darf jeder mitfilmen?
Frage: Darf jeder mitfilmen oder nur derjenige, der von den Polizisten „beamtshandelt“ wird?
Unbeteiligte Dritte dürfen als „Gaffende“ aus Neugierde oder zur Befriedigung der Sensationslust keine Filmaufnahmen machen. Wenn jemand jedoch stellvertretend in dessen Auftrag mit dessen Wissen und Wollen die Amtshandlung mit filmt, sollte dies unseres Erachtens nach erlaubt ein.
Auch hier sollte Zivilcourage erlaubt sein: Wenn Sie eine Amtshandlung miterleben, welche "schiefgeht", so ist es aus unserer Sicht selbstverständlich zulässig diese zu filmen. Achtung: Klären Sie aber jedenfalls mit einem Anwalt ab, wie Sie diese Ausnahmen verwenden dürfen, bevor Sie diese an jemanden weitergeben. Sollte aufgrund der Umstände die Aufnahme nicht zulässig gewesen sein, so ist diese zu vernichten.
Darf ich die Polizisten direkt filmen?
Frage: Ist es erlaubt die Polizisten direkt zu filmen oder muss man so filmen, dass man keine Gesichter erkennen kann?
Ja - es ist erlaubt!
Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage behandelt: Das Mitfilmen der einschreitenden Polizisten zum Zweck der Dokumentation der Amtshandlung ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 6/19d) unvermeidlich und erlaubt. Man muss also nicht den Fußboden filmen, damit man die Polizisten nicht auf dem Video erkennen kann.
Sind auch heimliche Aufnahmen zulässig?
Eine allzu offensichtliche Aufnahme kann aus bekannten Gründen dazu führen, dass die einschreitenden Polizisten sich bedroht und beobachtet fühlen.
Aus rechtlicher Sicht muss die Polizei nach unserem Dafürhalten nicht die Zustimmung zum Filmen erteilen; daher sollte auch eine heimliche Aufnahme zulässig sein. Dies liegt daran, dass das öffentliche Interesse und auch das persönliche Interesse des Filmenden ja gerade dazu führt, dass das Filmen bereits ohne Zustimmung des Polizisten zulässig ist. Die sonst nötige Zustimmung des Gefilmten wird als substituiert.
Soweit man allerdings die Aufnahmen für die einschreitenden Polizisten sichtbar macht, und dies situationsbedingt auch sinnvoll erscheint, kann dies auch einen präventiven/deeskalativen Effekt haben. In diesen Fällen ist es grundsätzlich vorzuziehen, sichtbar statt nur heimlich zu filmen.
Grundregel ist: Bevor man in einer Stresssituation gar nicht filmt, ist es wohl ratsamer, zumindest verdeckt zu filmen. Ob man die Aufnahme aber verwenden kann, ist strittig.
Darf ich die Aufnahmen veröffentlichen?
Frage: Darf ich die Aufnahme von einer Amtshandlung auf Social Media, YouTube etc. veröffentlichen?
Grundsätzlich: Nein!
Veröffentlichungen von Bildern und Videos sind generell eine heikle Angelegenheit, da die Gefahr besteht, dass die gefilmten Personen nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs „vorgeführt“ bzw. „an den Pranger gestellt“ werden. Gemäß § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also insbesondere auch dagegen, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (RS0078161).
Es kann zwar ein berechtigtes Interesse daran bestehen solche Mitschnitte zu veröffentlichen, wir würden jedoch davon abraten, dies ohne vorherige dezidierte rechtliche Abklärung des jeweiligen Einzelfalls zu tun und stehen bei Rückfragen gerne zur Verfügung.
Was ist wenn jemand anderer veröffentlicht?
Frage: Was ist, wenn jemand anders das Video ohne mein Wissen veröffentlicht?
Die Person die das Video angefertigt hat muss dafür sorgen, dass die Aufnahme auch nicht von anderen veröffentlicht wird. Hintergrund ist das sogenannte „Ingerenzprinzip“, wonach die Person die eine Gefahrenquelle geschaffen hat (in diesem Fall die Gefahr einer Veröffentlichung) dafür sorgen muss, dass es zu keiner Veröffentlichung kommt.
Man muss zum Beispiel das Mobiltelefon, mit dem die Aufnahmen gemacht worden ist, sicher und für andere unzugänglich (versperrt) verwahren oder nur Personen übergeben, von der man sicher sein kann, dass es nicht zu einer Veröffentlichung kommt.
Unsere Meinung
Videoaufnahmen sind für ein faires Verfahren essentiell - und sollten daher weitestmöglich erlaubt sein.
Die Verwertung und der Einsatz eines Videomaterials sollte dann aber jedenfalls mit einem Rechtsanwalt abgeklärt werden, denn es gibt einige Stolperfallen, welche sogar zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen können.
Sollten Sie eine unrechtmäßige Amtshandlung gefilmt haben, können Sie uns gerne unter 06507283562 oder office@anwaltklammer.com kontaktieren, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
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